Mit zwei Beispielen soll dies verdeutlicht werden
Atmung:
Unsere Atmung wird maßgeblich durch das Zwerchfell und die Interkostal Muskulatur (Zwischenrippenmuskulatur) bestimmt. Durch Anspannen und Entspannen dieser Muskeln entsteht ein Unterdruck in der Lunge, über den wir einatmen bzw. ausatmen. Ist diese Muskulatur durch eine Erkrankung (z. B. ALS, Duchenné Muskeldystrophie) geschwächt oder wird sie durch äußere Faktoren behindert (z. B. massive Skoliosen), kann die Lunge nicht mehr ausreichend ventilieren und es kommt zu Sauerstoffmangel im Blut. Parallel kann nicht genügend Kohlendioxid abgegeben werden. Gleichzeitig schafft diese mangelnde Ventilation der Lunge den idealen Nährboden für schwere Infektionen, da Sekret und aspirierte Flüssigkeiten bzw. Nahrungsbestandteile nicht effektiv abgehustet werden und sich parallel in den wenig belüfteten Lungenbereichen Krankheitserreger und andere Keime ungehemmt vermehren können.
Wie hilft uns aber das Stehen die Atmung zu verbessern? Im Sitzen besteht im Bauchraum ein erhöhter Druck durch eine Verlagerung aller inneren Organe etwas nach oben. Ein gesundes Zwerchfell kann gegen diesen erhöhten Druck arbeiten, wenn jedoch das Zwerchfell durch die Grunderkrankung bereits geschwächt ist, schafft es dies nicht mehr. Durch ein Strecken des gesamten Körpers im Liegen wird dieser erhöhte Bauchrauinnendruck bereits verringert, hier muss sich jedoch die Bauchdecke gegen die Schwerkraft heben. Im Stehen verlagern sich durch Hilfe der Schwerkraft die inneren Organe nach unten und schaffen Platz für die Zwerchfelldynamik, sodass leichter eingeatmet werden kann. Dies ist durch einschlägige Studien3 belegt und hilft vielen Betroffenen, über einen langen Zeitraum von externer Beatmung unabhängig zu bleiben. Die Unterstützung der Arme durch optimal positionierte Armlehnen beim Stehen hilft zusätzlich bei der Aktivierung der interkostalen Muskulatur, was die Atmung noch weiter vertieft.
Kontrakturen:
Wie bereits erwähnt, sind viele unserer Muskeln und Gelenke bewegungspflichtig. Das heißt, wenn sie nicht im vollen Bewegungsumfang bewegt werden, stellen sich funktionelle Probleme ein: das Ergebnis sind verkürzte Muskelfasern, Gelenkkapseln, Sehnen und Bänder verkleben und verwachsen miteinander, was zu einer starken Bewegungseinschränkung und Schmerzen führt (der Körper registriert durch seine sensiblen Fasern diesen unnatürlichen Zustand und meldet dies in Form von Schmerz). Diese Verwachsungen können später nur durch sehr aufwendige, teure Operationen wieder gelöst werden.
Gerade bei Krankheitsbildern, bei denen es aufgrund von Spastiken (willentlich nicht beeinflussbare erhöhte Grundspannung der Muskulatur) zu Muskelverkürzungen kommt, ist die Gefahr von Kontrakturen, bedingt durch langes Sitzen, extrem erhöht. Funktionell kann dem sehr gut durch selbstständiges Einnehmen einer gestreckten liegenden bzw. stehenden Position vorgebeugt/entgegengewirkt werden. Krankheitsbilder, bei denen es zu diesen massiven Kontrakturen nicht zuletzt aufgrund von spastischen Mustern kommen kann, sind u. a. Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Multiple Sklerose (MS), Cerebralparese (CP), Muskeldystrophy Duchennè und Querschnittlähmungen. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass es für viele Nutzer:innen mit genannten Krankheitsbildern und Behinderungen vorteilhaft bzw. sogar zwingend notwendig, ist über eine liegende Position ins Stehen zu kommen. Durch diesen Zwischenschritt, werden die betreffenden Gelenke, Sehnen und Bänder ohne (Gewichts-)Belastung in eine gestreckte Position gebracht, was Verletzungen und Schmerzen vorbeugt. Danach kann der Körper ohne Gelenkdynamik so weit vertikalisiert werden wie es toleriert wird.