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Checkliste für pflegende Angehörige

Welche Herausforderungen kommen mit der häuslichen Pflege auf uns zu – und wo kann man Unterstützung erhalten? Unser Artikel gibt Ihnen einen Überblick.

Mann mit Enkelin
© Andrea Piacquadio | Pexels

2021 wurden in Deutschland über 4 Millionen pflegebedürftige Menschen zuhause versorgt. Davon wurden 2,5 Millionen überwiegend von Angehörigen gepflegt.
Quelle: https://www.zqp.de/schwerpunkt/pflegende-angehoerige/


 

Wenn ältere Menschen pflegebedürftig werden, stehen viele Familien vor weitreichenden Entscheidungen – das gilt insbesondere in einer akuten Pflegesituation und bei einem plötzlichen Pflegefall: Können wir die Pflege in der vertrauten häuslichen Umgebung ermöglichen? Welche Herausforderungen kommen mit der häuslichen Pflege auf uns zu – und wo erhalten wir Unterstützung? In unserer Checkliste finden Sie die wichtigsten Schritte, die Sie bei der Pflege von Angehörigen klären sollten.

1. Grundsätzliche Überlegungen

Die meisten Menschen möchten ihre pflegebedürftigen Angehörigen ermöglichen, im gewohnten Umfeld zu bleiben. Viele fühlen sich moralisch verpflichtet, den Partner bzw. die Partnerin oder die Eltern zu pflegen. Doch nicht immer ist dies auch die beste Entscheidung, denn die Pflege von Angehörigen ist mit einem hohen Aufwand verbunden, der in die eigene Lebenssituation passen muss.

Deshalb ist es sinnvoll, wenn Betroffene eine kompetente Beratung in Anspruch nehmen, bevor sie diese Entscheidung treffen. Persönliche Unterstützung finden Sie beispielsweise in Pflegestützpunkten oder Seniorenbüros. Hier erhalten Sie Informationen über Ihren Anspruch auf Unterstützung und finanzielle Hilfe, die Sie in Ihre Entscheidungsfindung einbeziehen sollten.

Stellen Sie sich folgende Fragen, um zu beurteilen, ob Sie die Pflege von Angehörigen wirklich leisten können:

a) Veränderungen
Machen Sie sich bewusst, welche konkreten Veränderungen die Pflege von Angehörigen im Alltag mit sich bringt: die Neustrukturierung des Tagesablaufes, die Abstimmung mit dem Pflegedienst, die Pflegetätigkeiten, die Sie selbst leisten.

b) Tätigkeiten
Schätzen Sie ab, bei welchen Unterstützung benötigt wird und wie viele Stunden Pflegezeit Sie dafür einplanen müssen. Wenn Angehörige auf Hilfe bei der Körperpflege angewiesen sind, sollten Sie überlegen, ob Sie dies leisten können und wollen – das gilt umgekehrt auch für Pflegebedürftige, denen es oft leichter fällt, wenn diese Tätigkeiten eine Pflegeperson von außerhalb der Familie übernimmt.

c) Lebenssituation
Lassen sich diese Veränderungen mit Ihrem eigenen Familienleben und Ihrer beruflichen Situation vereinbaren? Welche Optionen haben Sie, um Ihren Beruf und die Pflege miteinander in Einklang zu bringen? Pflegende Angehörige haben meist wenig Zeit für sich selbst und müssen auf spontane Freizeitgestaltung wie Theaterbesuche oder abends essen gehen oft weitgehend verzichten.

d) Belastung
Jemanden zu pflegen kann für beide Seiten emotional und körperlich herausfordernd sein. Das wirkt sich auch auf die zwischenmenschliche Beziehung zwischen der Pflegeperson und dem Pflegebedürftigen bzw. der Pflegebedürftigen aus. Zudem können Menschen sich durch Erkrankungen wie Demenz oder Alzheimer sehr verändern. Pflegende Angehörige sollten überlegen, ob sie dieser Belastung gewachsen sind.

e) Unterstützung
Für pflegende Angehörige ist es wichtig, einen Rückhalt in der eigenen Familie zu haben - oder anderweitig die Möglichkeit für regelmäßige Gespräche, um mit der Situation besser umgehen zu können. Überlegen Sie daher, wer Sie als Pflegeperson unterstützen kann.

2. Finanzielle Situation

Wenn Sie Angehörige pflegen, haben Sie Anspruch auf diverse Leistungen aus der Pflegekasse. Jedoch sind die meisten an den jeweiligen Pflegegrad geknüpft und werden nur bis zu einer Obergrenze übernommen. Daher bedeutet die häusliche Pflege immer auch einen finanziellen Aufwand. Deshalb sollten Sie Ihre finanzielle Situation vorher genau prüfen:

a) Job
Können Sie Ihren Job in vollem Umfang weiter ausüben oder sind aufgrund der Pflege finanzielle Einbußen einzuplanen? Zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf haben Arbeitnehmer:innen einen Anspruch auf Pflegezeit, sofern in ihrem Betrieb mehr als 15 Beschäftigte arbeiten. Im Rahmen der Pflegezeit können sich Pflegende freistellen lassen. Die Pflegezeit beträgt dabei bis zu sechs Monate für minderjährige Angehörige. Wenn Pflegende eine nahestehende Person in der letzten Lebensphase begleiten möchten, steht hierfür eine Pflegezeit von drei Monaten zur Verfügung.

b) Soziale Absicherung
Klären Sie mit Ihrer Rentenversicherung, wie die Pflege von Angehörigen bei Ihrer Rentenbeitrittszahlung angerechnet wird.

c) Unterstützung
Pflegende Angehörige sollten sich im Zuge einer Beratung genau informieren, welche Unterstützung der Pflegekasse Ihnen zusteht und wie weit Sie den finanziellen Mehraufwand abdeckt. So haben Sie beispielsweise Anspruch auf Pflegegeld, Pflegesachdienstleistungen, Entlastungsgeld und die Übernahme von Pflegehilfsmitteln.

d) Pflegedienst
Sie müssen die Pflege nicht allein stemmen. Prüfen Sie, ob die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes finanziell umsetzbar ist oder ob ein Kombinationsmodell aus eigener Pflegeleistung und Pflegedienst für Sie in Frage kommt.

Weiterführende Informationen finden Sie z. B. auf der Website der Pflegeberatung

3. Pflegegrad beantragen

Ist die Entscheidung für die Pflege zuhause gefallen, sollten pflegende Angehörige unverzüglich den Pflegegrad beantragen. Die Pflegekasse schickt Ihnen hierzu das entsprechende Formular zu, das Sie am besten mit Expertenhilfe vom Pflegestützpunkt oder der Seniorenhilfe ausfüllen. Nach dem Besuch und Ausstellen eines Gutachtens vom medizinischen Dienst erhält der bzw. die Pflegebedürftige einen Pflegegrad und hat Anspruch auf die entsprechenden Pflegeleistungen.

Berechnen Sie Ihren Pflegegrad Pflegegradrechner

4. Pflegekurs belegen

Pflegende Angehörige haben nach SGB XI Anspruch auf einen kostenlosen Pflegekurs der Pflegekasse. Hier erhalten Sie praktisches Wissen rund um die pflegerischen Tätigkeiten, aber auch Ihre Rechte gegenüber der Pflegeversicherung und den allgemeinen Umgang mit der Pflegesituation zuhause. Wenden Sie sich dazu so früh wie möglich an Ihre Pflegeversicherung.

 

Für angehörige Pflegende führen die Pflegekassen unentgeltlich Schulungskurse durch, um die Betreuung zu erleichtern und damit einhergehende Belastungen zu mindern bzw. deren Entstehung vorzubeugen.
(§ 45 SGB XI)


 

5. Hilfsmittel und bauliche Veränderungen

Machen Sie sich frühzeitig Gedanken darüber, welche baulichen Veränderungen und Hilfsmittel sie brauchen. Häufig ist für die Pflege Angehöriger ein barrierefreies und rollstuhlgerechtes Badezimmer erforderlich, in dem die Körperhygiene und der Toilettengang für Pflegebedürftige möglich ist. In Häusern, die nicht ebenerdig sind, ist häufig der Einbau eines Treppenliftes sinnvoll. Solche baulichen Maßnahmen können von der Pflegekasse mit bis zu 4.000 Euro bezuschusst werden.

Je nach Pflegegrad werden bestimmte Pflegehilfsmittel von der Pflegeversicherung übernommen. Pflegende Angehörige können sich an Ihr Sanitätshaus wenden, um Informationen über Pflegehilfsmittel wie Pflegebetten, Aufstehhilfen oder Hygieneartikel zu erhalten. Hier berät man Sie gerne darüber, welche Modelle im individuell vorliegenden Fall sinnvoll sind, welche von Pflege- oder Krankenkasse übernommen werden und was Sie bei der Beantragung beachten sollten.

Die Verordnung für Pflegemittel kann von Pflegefachkräften ausgestellt werden. Wenn Pflegende keinen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen, erhalten pflegende Angehörige zwei- bis viermal im Jahr Besuch durch eine Pflegefachkraft der Pflegeversicherung und können bei dieser Gelegenheit eine Verordnung ausstellen lassen.

6. Pflegedienst beauftragen

Wenn Sie einen ambulanten Pflegedienst beauftragen wollen, überlegen Sie vorher genau, welche Tätigkeiten der Pflege die Fachkräfte übernehmen sollen. Hören Sie sich nach Empfehlungen um und vergleichen Sie die Leistungen mehrerer Anbieter. Beachten Sie dabei die Bewertungen des Pflege-TÜVs des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, der die Pflegedienste regelmäßig überprüft. In Frage kommende Pflegedienste sollten Sie zu einem persönlichen Kennenlerntermin einladen, um sich ein Bild zu machen. Haben Sie und der bzw. die Pflegebedürftige einen guten Eindruck, lassen Sie sich einen Kostenvoranschlag über die zu erbringenden Pflegeleistungen erstellen und prüfen Sie, welchen Anteil davon die Pflegeversicherung übernimmt.

Wichtig: Bedenken Sie, dass sich der Zustand von Pflegebedürftigen im Laufe der Zeit verändern kann, so dass die Situation von Pflegeperson und Pflegebedürftigem immer wieder neu bewertet werden muss.

 

Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums ist seit 2011 ein bundesweites Angebot für Ratsuchende rund um das Thema Pflege.


 

Weiterführende Links:
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/aeltere-menschen/vereinbarkeit-von-pflege-und-beruf
https://www.pflege.de/pflegende-angehoerige/
https://www.pflege-durch-angehoerige.de/pflegende-angehoerige/