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ARGE: Abrechnung von Hygienepauschalen in der Hilfsmittelversorgung

Die unternehmensübergreifende ARGE (bestehend aus Leistungserbringerverbänden und Medizintechnikherstellern) berichtet über fehlende Einheitlichkeit und aufwändige Unterschriftsverfahren.

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie sieht sich die Hilfsmittelbranche mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Speziell die stark gestiegenen Kosten für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) forderten dabei konkrete Maßnahmen, denn diese gingen bislang zulasten der Hilfsmittel-Leistungserbringer. Sie standen vor dem Problem, dass sie im Gegensatz zu anderen Leistungserbringern wie Ärzten oder Krankenhäusern bei den vorangegangenen Regelungen schlicht vergessen wurden. Der Gesetzgeber hat hier nun zwischenzeitlich nachgeholt.

Die gesetzliche Anpassung durch das „Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz“ (GPVG) sieht seit dem 01.01.2021 vor, dass zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern die Möglichkeit geschaffen wird, eine entsprechende Kompensation ihrer Aufwendungen für Persönliche Schutzausrüstung mit den Krankenkassen in den jeweiligen Versorgungsverträgen zu vereinbaren. Eine bundeseinheitliche Lösung für alle 103 Krankenkassen wurde nicht etabliert.

Um aber schnell und aufwandsarm eine Lösung mit allen Krankenkassen zu erzielen, hat sich die unternehmensübergreifende Arbeitsgemeinschaft (ARGE), bestehend aus den Unternehmen Linde Gas Therapeutics GmbH, Löwenstein Medical SE & Co.KG, rehaVital Gesundheitsservice GmbH, ResMed GmbH & Co. KG, VitalAire GmbH und VIVISOL Deutschland GmbH im Frühjahr zusammengefunden, um Gespräche mit den Krankenkassen aufzunehmen.

Ende März 2021 und damit zur Hochphase der 3. Corona-Welle gab es erste konstruktive Gespräche zwischen einzelnen VdEK Kassen und der ARGE. Daran anschließend ist die ARGE mit einem abgestimmten und umsetzbaren Vorschlag (angelehnt an die Vereinbarung der VdEK) auf viele weitere Bundeskassen und Regionalkassen (IKKn, AOKn, BKKn) zugegangen.

Kritische Punkte in den Verhandlungsgesprächen waren neben der Höhe der Vergütung die Referenzierung zur Hauptleistung, die Ausnahme von Betriebsstätten, die Unterscheidung und administrative Abbildung der einzelnen Hygienepauschalen (Pauschale bei nachgewiesener Corona-Erkrankung oder bei einem begründeten Verdachtsfall, Pauschale ohne Corona-Erkrankung und ohne begründeten Verdachtsfall) sowie die rückwirkenden Abrechnungsmöglichkeiten in Form von Sammelrechnungen seit Beginn des Gesetzes.

Die Abrechnung des Hygieneaufwandes in Betriebsstätten wurde i.d.R. seitens der Kassen ausgeschlossen – obwohl eine Maskenanpassung für einen Schlafapnoepatienten auch in einer Betriebsstätte oder Filiale des Leistungserbringers entsprechende Schutzmaßnahmen erfordert. Dass gerade bei sehr vulnerablen Patientengruppen gespart und auf Moral und Ethik der Leistungserbringer gesetzt wird, zeigt noch einmal deutlicher die Relevanz der Verhandlungsgespräche.

Aufgrund der im Durchschnitt festgestellten niedrigen Höhe der abzurechnenden Pauschale ist die Frage zu stellen, ob nicht viele Leistungserbringer aufgrund der neuen und aufwändigen Administrationsprozesse, die von den Krankenkassen gefordert werden, auf die Abrechnung der Hygienepauschale verzichten. Denn Aufwand und Nutzen von z. B. Quarantäne-Bestätigungen oder beidseitigen Unterschriftsverfahren stehen deutlich im Missverhältnis. Zumal diese, angelehnt an die pandemische Lage, alle zeitlich befristet sind und es wiederum Aufwand bedeutet, eine Fristverlängerung nachzuhalten. Der Gesetzgeber übernimmt beim Restaurantbesuch die Kosten der Schnelltests für 18,- €, der Schutz von Beatmungspatienten wird jedoch im ethischen Ermessen der Leistungserbringer gesehen.

Aus dem Bereich der AOK Kassen werden den Leistungserbringern zwischenzeitlich Vergütungshöhen von 1,- € pro Verordnung angeboten. Für die betreuungsintensive Patientengruppe der Beatmeten und Sauerstoff-Patienten, die i.d.R innerhalb eines Verordnungszeitraumes mehrfach besucht werden, sind diese Vergütungen nicht auskömmlich.

Auch andere Krankenkassen zeigen Bereitschaft und räumen eine Vergütung ein. Aufwändige Nachweise (z. B. eine unterschriebene Patientenerklärung zur Bestätigung des Hausbesuches, ein Nachweis eines auf eigene Kosten durchgeführten Corona Selbsttests oder Rechnungen von Herstellern zur Persönlichen Schutzausrüstung) behindern jedoch den Prozess und sind zu den GKV-SV Empfehlungen zur Verwaltungsvereinfachung widersprüchlich.
Andere in der Hochphase der Pandemie aufkommende Themen wurden vergleichsweise unbürokratisch gelöst, damit Maßnahmen zur Pandemieeindämmung schnell aufgebaut werden konnten (z. B. die Vergütung und Abrechnung in Testzentren).

Fazit: Die ARGE stellt bedauerlicherweise fest, dass überwiegend die Krankenkassen an ihren Vorstellungen festhielten. Nichtsdestotrotz konnten Teilerfolge erzielt und die aufwändigen und teilweise undurchsichtigen administrativen Abwicklungen an einigen Stellen vereinfacht werden:

  • Der Verzicht auf den Bezug zur Ursprungsrechnung zugunsten der LEGS oder Genehmigungsnummern
  • Rückwirkende Abrechnungsmöglichkeiten in Form von Sammelrechnungen
  • Die Akzeptanz einiger Krankenkassen von Abrechnungen in Betriebsstätten
  • Die Bereitschaft einer Krankenkasse, die abzurechnende Hygienepauschale zu erhöhen

Erfreulicherweise schlossen sich außerdem in den letzten Wochen nach den geführten Gesprächen mehr und mehr Krankenkassen den VdEK Empfehlungen inhaltlich an, darunter z. B. die AOK Bayern, AOK Hessen, AOK Nordost, viele große namhafte Betriebskrankenkassen und IKKn – wenn auch wie beschrieben mit unterschiedlichsten Anforderungen und Laufzeiten. Von einer Prozess-Einheitlichkeit sind wir dennoch weit entfernt.

Mit dem Hintergrund dieser Erfahrungen sehen wir es weiterhin für notwendig und wichtig an, dass solche Themen mit übergeordneter Dringlichkeit künftig zentral unmittelbar durch die Politik selbst oder aber durch Instanzen wie z. B. dem GKV-Spitzenverband verhandelt und durchgesetzt werden.